Die Haselnuss (Corylus avellana) ist in Europa eine uralte Zauberpflanze. Sie spielt in Märchen, Sagen, alten Rätseln eine bedeutsame Rolle. Sie ist Sinnbild des Frühlings, des Lebens, der Unsterblichkeit und auch Zeichen des ehelichen Glücks, wegen ihrer oft auftretenden Doppelung.
Klar, sie hat auch sehr praktische Seiten: In Europa war/ ist die Haselnuss die einige fettreiche, wohlschmeckende, gut erreich- und erntebare Baumfrucht. Die Haselnuss wurde jedoch nicht nur deswegen gerne angepflanzt in der Nähe von Bauernhöfen, sondern auch weil sie ein wichtiger Schutz gegen böse Mächte und Geister war. Mit Haselgerten wurde verhextes Vieh bestrichen, Kälber bekamen geschnittene Gerten ins Futter gemischt zum generellen Schutz. Die Germanen glaubten daran, mit einer Haselgerte sogar die Midgardschlage unschädlich machen zu können. Kein Wunder also, dass der Haselstrauch ob seiner gewaltigen Fähigkeiten dem höchsten Gott Thor geweiht war. Geblieben ist in der heutigen Zeit am Nikolaustage, dem geweihten Tage Thors oder Donars, Nüsse zu verschenken.
Die Schutzfunktion hat sich durchaus in unsere Zeiten gerettet: Manche pflanzen die Haselnuss bewusst in die Nähe des Hauses, weil sie schädliche Erdstrahlen fernhalten soll. Auch bei Wünschelruten-Gängern ist die Haselnussgerte nach wie vor DAS einzusetzende Material (Wünschelrute: altdeutsch wunschiligerta=wünschen, zaubern).
Im Volksgut haben Nüsse auch erotische Bedeutungen und wurden in Liedern eindeutig benutzt: “ging ein Weiblein Nüsse schütteln…” beispielsweise. Haselnüsse waren ebenso Symbole für die Fruchtbarkeit: Wollte eine Frau schwanger werden, trug sie einen Haselzweig mit Nüssen. Oder über dem Ehebett wurden Haselzweige aufgehängt.[1]
Ein Haselnuss-Zweig kommt im Märchen “Aschenputtel” vor. Marcus Kraneburg findet für ihn eine besondere Deutung in seinem Buch [2]. Zur Erinnerung: Aschenputtel wünscht sich vom Vater, er möge ihr einen Haselreis von der Handelsreise mitbringen, was er auch tut. Das Mädchen pflanzt ihn zum Grab der Mutter, weint täglich bittere Tränen und betet. Aus dem Zweiglein wurde ein Strauch und dann kam ein Vöglein, dass dem Mädchen brachte, was immer es sich wünschte. Kraneburg hebt hervor, dass der Haselzweig in den alten Kulturvölkern des Abendlandes eine Beziehung zum Übersinnlichen herstellt. “Als ein großer Haselstrauch daraus geworden ist, erscheint ein weißes Vögelchen. In dieser Gestalt wirkt Aschenputtels Mutter aus dem Geistigen in die physische Welt hinein”, so schreibt er. In diesem Sinne kann auch die Verbindung eines Wünschelrutengängers gesehen werden, der Haselzweig schlägt eine Brücke in die übersinnliche Welt und ermöglicht das Auffinden des Gewünschten in dieser Welt.
Quellen: [1] Abraham H, Thinnes I: Hexenkraut und Zaubertrank. Unsere Heilpflanzen in Sagen, Märchen, Aberglauben und Legenden. Urs Freund Verlag, Greifenberg, 1995.
[2] Kraneburg, M:. Ein Arbeitsbuch für Eltern, Erzieher und Lehrer. Verlag Johannes M. Mayer. Stuttgart, 2008.