Es gibt wohl keine Heilpflanze, zu der weltweit mehr wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht wurden, als zu dem in Ostasien heimischen Koreanischen Ginseng (Panax ginseng) — es sind mehr als 10.000 Fachveröffentlichungen. Allerdings: Nur drei von hundert Untersuchungen sind Studien, die nach den höchsten, heute gültigen Kriterien die Wirksamkeit im Vergleich mit Placebo und einer Zuordnung der Patienten über das Zufallsprinzip erfasst haben (“randomisierte klinische Studien”, RCT). Noch weniger dieser RCTs betreffen Anwendungen im Bereich der Krebsmedizin. Einer jetzt vorgelegte Studie sollte klinische Effekte von koreanischem Rotem Ginseng, zusammen mit Chemotherapie nach einer vorherigen Krebs-OP verwendet, auf die Immunfunktion von Patienten mit Gallengangs- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs klären. Die koreanischen Forscher konnten zeigen, dass die Heilpflanze signifikante immunmodulatorische, abwehrsteigernde Effekte bei der mit Ginseng behandelten Gruppe hat.
In die im voraus geplante und randomisiert-kontrollierte Studie wurden 26 nacheinander in der Klinik zu operierende Tumorpatienten eingeschlossen, die sich einer Operation wegen Gallengangs- oder Bauchspeicheldrüsenkrebs mit dem Ziel einer Krebsheilung unterziehen mussten, und die nach der OP eine aggressive Chemotherapie (Wirkstoffe jeweils 5‑Fluorouracil/Leucovorin oder Gemcitabin) erhielten. Die Patienten wurde 1:1 per Zufallsprinzip entweder in eine Gruppe mit ergänzender Ginseng- oder eine Kontrollegruppe mit Placebobehandlung zugewiesen. Für die Studie wurden zusätzlich Immun- und Entzündungsmarker aus peripheren Blutproben während und nach der Chemotherapie untersucht.
Erste Studie zu Ginseng-Wirkungen bei Krebs
Vor Beginn und während der Chemotherapie zeigten sich keinerlei signifikante Unterschiede zwischen den Gruppen hinsichtlich der untersuchten immunbezogenen Parameter. Nach der Chemotherapie war jedoch der Prozentsatz an CD4+ T‑Lymphozyten in der Ginseng-Gruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe (42,01% vs. 33,69%, p=0,048). Auch das Verhältnis von CD4+/CD8+ T‑Lymphozyten war in der Ginseng-Gruppe war höher (2,03 vs. 1,28, p=0,027). Die Häufigkeit eines Mangels an weißen Blutkörperchen (Neutropenie) und Leberfunktionsstörungen als Folge der Chemotherapie unterschied sich nicht zwischen den Gruppen. Die Autoren sehen in den Ergebnissen einen klaren und deutlichen Effekt von Ginseng auf die erhöhte Abwehrfähigkeit der Krebspatienten.
Sie betonen zudem, dass ihre Studie die erste wissenschaftlich-klinische Studie ist, die bei dieser Erkrankung unter zusätzlicher Ginsenggabe bemerkenswerte Effekte zeigte, und die die Heilpflanze als ein sicheres immun-modulierendes Konzept für die integrative Onkologie erscheinen lassen. In einer Leitlinie der US-Amerikanischen Krebsgesellschaft (ASCO) zur integrativen Therapie bei Brustkrebs wird Ginseng zur Behandlung von krebsassoziiertem Fatigue empfohlen (Lyman GH et al., J Oncol Pract, 2018 Aug;14(8):495–499 (DOI | PMID).
Autor
• Rainer H. Bubenzer, Eichstädt bei Berlin, 27. August 2021.
Bildnachweis
• Manfred Schütze (pixelio.de, 89946).
Quelle
• Kim IK, Lee KY, Kang J, Park JS, Jeong J: Immune-modulating Effect of Korean Red Ginseng by Balancing the Ratio of Peripheral T Lymphocytes in Bile Duct or Pancreatic Cancer Patients With Adjuvant Chemotherapy. In Vivo. 2021 May-Jun;35(3):1895–1900 (DOI | PMID).
weitere Infos
• Sport und roter Ginseng: Wirksam bei chronischem Erschöpfungs-Syndrom.
• Ginseng für das Abwehrsystem.
• Monographie BGA/BfArM (Kommission E): Ginseng radix (Ginsengwurzel). Bundesanzeiger 17.1.1991, Heftnummer 11 (Originaltext).
• Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel: Monographie Ginseng. Thieme, Leipzig, 1938 (Originaltext).