Ihre Gesundheitslehren basierten auf dem Konzept der Grünkraft, die sie als eine Lebensenergie verstand, die in allen Pflanzen und Menschen vorhanden ist. Um diese Grünkraft zu erhalten oder zu stärken, empfahl sie eine ausgewogene Ernährung mit viel Gemüse, Obst, Getreide und Kräutern. Sie legte auch Wert auf die Qualität der Lebensmittel und vermied alles, was verdorben oder unverträglich war.
Neben der Ernährung setzte Hildegard von Bingen auch auf Heilpflanzen zur Behandlung verschiedener Krankheiten. Sie beschrieb über 200 Pflanzenarten und ihre Anwendungsmöglichkeiten für Körper, Seele und Geist. Zum Beispiel empfahl sie Arnika gegen stumpfe Verletzungen oder gelben Enzian gegen Magenschmerzen. Sie verwendete auch verschiedene Salben, Öle oder Tinkturen aus Pflanzenextrakten für äußere Anwendungen.
Hildegard von Bingen gilt als eine der bedeutendsten Naturheilkundlerinnen des Mittelalters und ihre Gesundheitslehren sind bis heute aktuell und beliebt bei vielen Menschen.
Biographie: Hildegard von Bingen vermutlich in Bermersheim bei Alzey (nahe Bingen am Rhein) als Tochter des Edlen Hildebert von Bermersheim geboren und im nahen Benediktinerinnenkloster Disibodenberg an der Nahe erzogen, wo sie 1114 Benediktinerin wurde. Nach dem Tod der Äbtissin, der sel. Jutta, übernahm sie 1136 die Leitung einer Gemeinschaft frommer Frauen. Zwischen 1147 und 1150 gründete sie auf dem Rupertsberg (Bingerbrück) ein Kloster und 1165 in Eibingen bei Rüdesheim ein Tochterkloster dazu. Sie reiste nach Köln, Trier und auch nach Süddeutschland und Frankreich, war mit Bernhard von Clairvaux befreundet, hielt zahlreiche für das Volk und den Klerus unbequeme Predigten und wurde von vielen Persönlichkeiten, darunter Kaiser Friedrich I. Barbarossa, mehreren Päpsten, Königen, Bischöfen und Ordensoberen, um Rat gefragt, was über 300 Briefe belegen. Schon von Kindheit an hatte Hildegard Visionen, die sie in ihren prophetischen Schriften, Erstlingen der deutschen Mystik, beschrieb, z.B. ›Scivias‹ (lat. sci vias = Wisse die Wege). Sie gilt auch als Begründerin der wissenschaftlichen Naturgeschichte in Deutschland und ist noch heute durch ihre Volksheilkunde weithin bekannt. Hildegard starb in ihrem Kloster Rupertsberg, ihre Reliquien ruhen in der ehemaligen Klosterkirche von Eibingen.
Die wissenschaftliche Berücksichtigung von Hildegard von Bingen
Im 12. Jahrhundert wurden Hildegards Schriften rege rezipiert, doch schon das folgende Saeculum zeigte schwächeres Interesse. Dies läßt sich auch an der handschriftlichen Überlieferung ihrer Schriften ablesen, die deutlich in ihrem Jahrhundert zentriert erscheinen. Ihre Werke wurden nicht — wie die anderer Autoren — kommentiert, doch finden sich Auseinandersetzungen ihrer illustrierten Handschriften über das Medium der bildenden Kunst; auch in Briefen von Zeitgenossen oder — weitaus seltener — von späteren Generationen tauchen Ausführungen zu Hildegards Schaffen auf, ebenso in den Abschnitten ihrer Viten, die ihre Visionen und Schriften aufgreifen. Volmars frühe Vita, die wohl mit autobiographischen Berichten Hildegards durchsetzt ist, wurde in den Viten Wiberts von Gembloux und Gottfrieds und Theoderichs verarbeitet. Interesse fand Hildegard in den nachfolgenden Jahrhunderten vor allem durch ihre Weissagungen, insbesondere durch die Kompilation ihrer apokalyptischen Visionen von Gebenos von Eberbach. Aus dem Vergessensein wurde sie erst am Anfang des 20. Jahrhunderts wieder geweckt, als vom neu erbauten Tochter- und Nachfolgekloster Hildegards eine zweite Rezeptionswelle initiiert wurde, welche Devotion und Wissenschaft in ihren Dienst stellte und Übersetzungen sowie Untersuchungen ihrer Schriften sowie biographische Studien hervorbringen ließ. Die Veranstaltungen zu ihrem 800. Todestag 1979 bahnten schließlich dem Unternehmen einer kritischen Edition den Weg. Allerdings reiten auf dieser Welle auch etliche pseudowissenschaftliche und esoterische Publikationen zu Hildegards Heilkunde- und Visionsliteratur, die der Forschung nur wenig dienlich sind. Ins Mittel- beziehungsweise Frühneuhochdeutsche fand punktuell der (Hildegard zugeschriebene) ‘Liber subtilitatum’ Eingang, bei dessen Rezeption der ‘Tractatus de herbis’ im Vordergrund stand.
Quelle
• Erhard Gorys: Lexikon der Heiligen (Hildegard von Bingen). Dt. Taschenbuch-Verlag, München, 1997.
• Gundolf Keil: Hildegard-von-Bingen-Rezeption. In Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil und Wolfgang Wegner: Enzyklopädie der Medizingeschichte. de Gruyter, Berlin, 2007.
weitere Infos
• Heilpflanzen und trockene Sommer
• Heilpflanzen bei Langzeitkranken
• Weidenrinde — Renaissance eines pflanzlichen Schmerzmittels
Bildnachweis
• Meister des Hildegardis-Codex: Hildegardis- Codex, sogenannter Scivias-Codex, Szene: Das Weltall, entstanden um 1165, Pergament, Eibingen (bei Rüdesheim), Benediktinerinnenabtei Sankt Hildegard. Anmerkung: Die Buchmalerei aus Kloster Rupertsberg ist nur als handgefertigtes Faksimile von 1927 erhalten.