Berlin ist großartig! Die Metropole bietet nicht nur kulturell eine unglaubliche Vielfalt, sondern ist bekannt als grüne Stadt. Und: Durchflossen von Havel, Spree, zahlreichen Kanälen ist auch das Umland mit seinen vielen Seen für Wassersportler und ‑Liebhaber ein Eldorado. Bei traumhaftem Maiwetter gibt es also 1001 Möglichkeiten, die grüne Seite der Stadt kennenzulernen. Ich mache mich auf den Weg zur Pfaueninsel, einem bemerkenswerten Naturschutzgebiet im Wannsee gelegen.
Die Pfaueninsel ist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Mit der S‑Bahn bis Wannsee, dann umsteigen in den 218. Bus, der direkt an der Fähre endet. Wer mit dem 118 Bus vom Mexikoplatz kommt, muss noch einmal in den 218 Bus an der Haltestelle Pfaueninselchaussee/ Königstraße umsteigen. Mein Tipp: Von der Straße runter zur Fähre lohnt sich der Fußweg. Er läuft 2,9 Kilometer parallel an der kleinen Straße entlang. Der Weg führt zunächst durch Mischwald und dann durch einen jungen Eichenwald. Dort ist es wunderschön. Weil der Wald noch so licht ist, wird der Boden mit dichtem, langem Gras bewachsen. Die Vögel zwitschern, ein Buntspecht kommt im Tiefflug vorbei, überrascht vom Besuch in seinem Revier, oder ein Eichelhäher empört sich über offensichtlich seltene Fußgänger. Beidseitig des Weges sind manchmal tiefe Spuren zu sehen — die Wühlarbeiten von Wildschweinen. Trotzdem ist kein Fußgänger wirklich alleine, denn viele Fahrradfahrer nutzen die Straße, die sich durch die hügelige Endmoränenlandschaft schlängelt. Am Wasser angekommen, bringt die Fähre Luise die Besucher auf die Pfaueninsel. Hin-und Rückfahrt ohne Ermäßigungen kosten 3 €, der Besuch der Insel ist umsonst.
Mehrere Hinweistafeln klären darüber auf, das das Mitbringen von Hunden verboten ist, ebenso das Rauchen auf der Insel. Die Insel ist 69 Hektar groß und wurde von Wilhelm II. gekauft. Bekannt wurde die Insel durch Wilhelm III., der mit seiner Luise, eine zu ihrer Zeit populäre Königin, dort die Sommerferien verbrachte. Das Königspaar schätzte “das Landleben” und ließ noch Ackerbau betreiben. 1816–1834 wurde die Insel unter Peter Josph Linné zu einem Landschaftspark umgestaltet, wie er bis heute erhalten ist. Wahrscheinlich ist der Park heute schöner als zu damaliger Zeit, weil die Bäume riesig und uralt geworden sind. Besonders sind die alten Eichen, die zum Teil bis zu 400 Jahre alt sein sollen. Sie werden nicht gefällt, sondern ihrem natürlichen Lebenslauf ohne menschliche Einflussnahme überlassen. Deshalb sind häufiger im Park tote, riesige Eichenstämme zu sehen: Mit ihren abgestorbenen Ästen, die in den Himmel ragen oder den großen Höhlen, die wie Augen aussehen, haben manche Stämme ein skurriles Aussehen. Ein Stamm erinnerte mich an einen grimmigen Troll, der im Begriff ist loszustapfen. Ein anderer Stamm hingegen, in seinem Zerfall schon weiter fortgeschritten, erinnert mich an ein Riesenkrokodil.
Diese alten Eichen — tot oder lebendig — bieten besonderen Tieren und Pflanzen einen Lebensraum, der in Deutschland/ Europa nur noch sehr selten anzutreffen ist: Seltene Pfledermausarten, Uhus oder Eulen, finden in den Höhlen der Bäume noch Überlebensräume. Ebenso der Eremit oder der Eichenheldbock, zwei in Europa geschütze, selten anzutreffende Käferarten. Sie brauchen Alt- und Totholz, um überleben zu können. Der Park hat unterschiedliche Bereiche: Auf geschlängelten Wegen bieten sich Besuchern verschiedene Landschaftsflächen zur Betrachtung an. Hinter der Feuchtwiese beispielsweise, die von Wasserbüffeln kurzgehalten wird, liegen große Sandtrockenrasenflächen. Dort sollen seltene Heilpflanzen wachsen, wie zum Beispiel Augentrost oder Wiesenschlüsselblume. Meine Hoffnung, einen blühenden Augentrost zu entdecken, bleibt leider unerfüllt. Möglicherweise blüht die Heilpflanze auch erst später. Ohnehin wären meine Chancen wohl gering, weil diese Flächen nicht betreten werden dürfen.
Trotzdem bin ich zufrieden in der erhabenen Parklandschaft, die Linné überall geschaffen hat. Meierei oder Schloss stehen als “Blickfänger” am Ende oder Anfang von Sichtachsen, umsäumt von wilden Wiesen oder eben uralten Bäumen. Nicht zuletzt die Blicke auf den Wannsee mit den Segelbooten bieten zusätzliche Reize. Auf der Insel wurden zwei Rosengärten angelegt. In einem stehen am Rande hochgewachsen große Beinwellstauden. Ich bin sicher, dass diese Pflanzen zur natürlichen Düngung und Schädlingsbekämpfung des Rosengartens eingesetzt werden.
Mitten auf der Insel gibt es eine große Fläche, die von den Touristen als Freizeitwiese genutzt wird. Es gibt einen kleinen Grillwagen, wo Würstchen oder Buletten verkauft werden. Oder in einem Holzhäuschen wird selbstgemachter Kuchen oder Erfrischungen angeboten. Kinder toben, Erwachsene erholen sich, dazwischen spazieren Pflauen. 30 Pfauen gehören zur Insel und haben ihr den Namen gegeben. Sie leben in Volièren oder frei. Die prächtigen Vögel sind zwar scheu, haben jedoch gelernt, dass sich in Menschennähe auch leicht Essbares abholen lässt. Auf der Wiese wird ein Pfau wird zwar immer wieder von Kindern gejagt, doch kommt er zurück, um die Tische nach Nahrung zu inspizieren.
Naturfreunde kommen auf ihre Kosten: Ornithologen haben die Gelegenheit, seltene Vogelarten zu hören oder zu sehen, wie zum Beispiel Pirol, Schwarzmilan oder Eisvogel. Pflanzenfreunde werden sich an der gestalteten und doch wilden Landschaft erfreuen. Es gibt überall etwas zu entdecken, wie zum Beispiel den Smaragdkäfer, der sich am blühenden Holunder sattfrisst. Der Feinschmecker weiss, dass Holunderblüten süßlich schmecken, und zupft folglich nur die gelben Blütenstände (Rezept Holunderblüten im Teigmantel). Wer Zeit mitbringt, kann ohne Weiteres einen ganzen Tag auf der Insel verbringen. Die Wege schlängeln sich über die Insel und verzweigen sich. Stille, einsame Ecken sind überall zu finden, trotz des Besucherandrangs.