Bären­trau­ben­blät­ter: Auch wenn die Bla­se schmerzt — es müs­sen nicht immer Anti­bio­ti­ka sein

Bärentraubenblätter und BlüteBla­sen­ent­zün­dun­gen sind schmerz­haft und unan­ge­nehm, müs­sen aber nicht immer gleich mit Anti­bio­ti­ka behan­delt wer­den. Unter bestimm­ten Umstän­den kön­nen pflanz­li­che Prä­pa­ra­te wie Bären­trau­ben­blät­ter eine Alter­na­ti­ve dar­stel­len, wie die BMBF-geför­der­te REGAT­TA-Stu­die zeigt.

Viel trin­ken und warm ein­ku­scheln – vie­le Frau­en set­zen bei Harn­wegs­in­fek­tio­nen lie­ber erst ein­mal auf Haus­mit­tel oder pflanz­li­che Prä­pa­ra­te als auf Anti­bio­ti­ka. Die­se wer­den jedoch noch immer häu­fig ver­schrie­ben, weil sie typi­sche Beschwer­den wie Schmer­zen beim Was­ser­las­sen und im Unter­bauch sowie ver­mehr­ten Harn­drang am schnells­ten lin­dern. Wer­den Anti­bio­ti­ka aber zu oft ein­ge­setzt, ver­lie­ren sie zuneh­mend an Wirk­sam­keit, kön­nen häu­fi­ger uner­wünsch­te Neben­wir­kun­gen ver­ur­sa­chen und zudem das Risi­ko erhö­hen, dass sich resis­ten­te Kei­me ent­wi­ckeln. Nicht zuletzt des­halb wird ihr Ein­satz zuneh­mend kri­tisch gesehen.

For­schen­de der Uni­ver­si­täts­kli­ni­ka Göt­tin­gen, Würz­burg, Han­no­ver und Jena haben in der REGAT­TA-Stu­die des­halb unter­sucht, ob ein Extrakt aus Bären­trau­ben­blät­tern – in der Fach­spra­che Uva Ursi genannt – bei unkom­pli­zier­ten Harn­wegs­ent­zün­dun­gen hel­fen kann. Das Ergeb­nis der vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung (BMBF) mit 1,63 Mil­lio­nen Euro geför­der­ten Stu­die: Uva Ursi kann nicht gene­rell als Behand­lungs­al­ter­na­ti­ve zu Anti­bio­ti­ka emp­foh­len wer­den. Möch­ten Frau­en aller­dings zumin­dest ver­su­chen, auf ein Anti­bio­ti­kum zu ver­zich­ten, kann Uva Ursi eine Behand­lungs­al­ter­na­ti­ve darstellen.

Auf­grund sei­nes Gehalts an Gerb­stof­fen wird Uva Ursi eine anti­mi­kro­biel­le und anti­sep­ti­sche Wir­kung zuge­schrie­ben; das Prä­pa­rat ist in Apo­the­ken frei ver­käuf­lich (bei Ama­zon kau­fen). Aller­dings – auch das ist ein Ergeb­nis der Stu­die – müs­sen die meis­ten Frau­en bei der Ein­nah­me des Pflan­zen­prä­pa­rats etwas län­ger auch etwas stär­ke­re Beschwer­den in Kauf neh­men. Eine gene­rel­le Behand­lung von unkom­pli­zier­ten Harn­wegs­in­fek­ten mit Uva Ursi kann des­halb nicht emp­foh­len werden.

Bla­sen­ent­zün­dung
Vie­le Frau­en ken­nen die Anzei­chen nur zu gut: Schmer­zen beim Was­ser­las­sen und im Unter­bauch sowie häu­fi­ger Harn­drang deu­ten auf eine Bla­sen­ent­zün­dung hin. Harn­wegs­in­fek­tio­nen – in der Fach­spra­che Zys­ti­tis genannt – zäh­len in Deutsch­land zu den häu­fi­gen Anläs­sen, eine Ärz­tin oder einen Arzt auf­zu­su­chen, und gel­ten bei bis zu fünf Pro­zent der Betrof­fe­nen als chro­nisch. Bla­sen­ent­zün­dun­gen kom­men bei Frau­en wesent­lich häu­fi­ger vor als bei Män­nern, weil die weib­li­che Harn­röh­re kür­zer ist. Meist näm­lich ent­steht eine sol­che Ent­zün­dung durch Bak­te­ri­en, die über die Harn­röh­re in die Bla­se auf­stei­gen und dort eine Infek­ti­on der Schleim­haut auslösen.

Weni­ger Anti­bio­ti­ka, aber stär­ke­re Symptome

Mit der Ein­nah­me von Bären­trau­ben­blät­ter­ex­trakt wur­de der Ein­satz von Anti­bio­ti­ka um 64 Pro­zent ver­rin­gert“, nennt Pro­fes­so­rin Dr. Ildi­kó Gágyor, Direk­to­rin am Insti­tut für All­ge­mein­me­di­zin des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Würz­burg, eine wich­ti­ge Erkennt­nis der REGAT­TA-Stu­die. „Fast jede zwei­te Frau konn­te sich auch ohne Anti­bio­ti­ka erho­len. Aller­dings waren die von ihnen beschrie­be­nen Sym­pto­me auch nach einer Woche höher als bei sofor­ti­ger anti­bio­ti­scher Behandlung.“

An der durch Pro­fes­so­rin Dr. Eva Hum­mers, Direk­to­rin des Insti­tuts für All­ge­mein­me­di­zin der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen, gelei­te­ten Stu­die nah­men über einen Zeit­raum von fast zwei Jah­ren fast 400 Frau­en teil. Sie wur­den in 42 Haus­arzt­pra­xen in Nie­der­sach­sen, Nord­rhein-West­fa­len und Thü­rin­gen in die Stu­die ein­ge­schlos­sen und hat­ten typi­sche Sym­pto­me einer Bla­sen­ent­zün­dung. Das Team um Gágyor kon­zi­pier­te REGATTA als dop­pel­blin­de, ran­do­mi­siert-kon­trol­lier­te Stu­die, d. h., weder die Stu­di­en­lei­tung noch die teil­neh­men­den Pati­en­tin­nen wuss­ten, wel­cher Stu­di­en­grup­pe sie zuge­teilt wur­den. Die 191 Pro­ban­din­nen der Grup­pe A wur­den sofort nach Ein­set­zen der Beschwer­den mit Anti­bio­ti­ka (Fos­fo­my­cin) behan­delt, die 207 Teil­neh­me­rin­nen der Grup­pe B erhiel­ten den Bären­trau­ben­blät­ter­wirk­stoff. Über einen Zeit­raum von einer Woche notier­ten sie auf­tre­ten­de Sym­pto­me und All­tags­be­ein­träch­ti­gun­gen in einem Behand­lungs­ta­ge­buch; nach einem Monat wur­den die Frau­en noch ein­mal zusätz­lich befragt.

Kei­ne gene­rel­le Emp­feh­lung – Vor­sicht bei Komplikationen

Bis die Beschwer­den ver­schwun­den waren, dau­er­te es laut Stu­die bei den mit Anti­bio­ti­ka behan­del­ten Frau­en 3,4 Tage. Bei den Frau­en in Grup­pe B brauch­te es dazu mit 4,2 Tagen etwas län­ger. 39 Pro­zent der Teil­neh­me­rin­nen der Grup­pe B muss­ten inner­halb von vier Wochen nach der Behand­lung mit Uva Ursi doch noch mit einem Anti­bio­ti­kum gegen die Bla­sen­ent­zün­dung behan­delt wer­den, aber auch in der mit Anti­bio­ti­ka behan­del­ten Grup­pe A war bei 15 Pro­zent der Teil­neh­me­rin­nen die Gabe eines zwei­ten Anti­bio­ti­kums erforderlich.

Bärentrauben

Bla­sen­ent­zün­dun­gen ver­lau­fen jedoch nicht immer ohne Kom­pli­ka­tio­nen: Eine Nie­ren­be­cken­ent­zün­dung zum Bei­spiel trat bei einer von 100 Teil­neh­me­rin­nen der Grup­pe A auf. In Grup­pe B lag der Anteil mit vier von 100 Frau­en etwas höher. Fie­ber oder zuneh­men­de Beschwer­den ver­zeich­ne­ten 18 von 100 Teil­neh­me­rin­nen in Grup­pe A sowie 12 Pati­en­tin­nen in Grup­pe B. Frau­en in Grup­pe B haben zudem mehr Schmerz­mit­tel ein­ge­nom­men und häu­fi­ger ihre Ärz­tin oder ihren Arzt konsultiert.

Wol­len Frau­en die Ein­nah­me von Anti­bio­ti­ka ver­mei­den, kön­nen Bären­trau­ben­blät­ter einen alter­na­ti­ven Behand­lungs­an­satz dar­stel­len“, resü­miert Pro­fes­so­rin Jut­ta Blei­dorn, Insti­tut für All­ge­mein­me­di­zin, Uni­kli­ni­kum Jena, „eine gene­rel­le Behand­lung unkom­pli­zier­ter Harn­wegs­in­fek­te mit Uva Ursi kön­nen wir jedoch nicht emp­feh­len.“ Der Ein­satz von Uva Ursi emp­feh­le sich nur bei aus­drück­li­chem Wunsch nach nicht anti­bio­ti­scher Behand­lung und solan­ge zuneh­men­de Beschwer­den oder Kom­pli­ka­tio­nen recht­zei­tig erkannt und behan­delt wer­den. Habe eine Pati­en­tin aber Fie­ber oder schon ein­mal eine Nie­ren­be­cken­ent­zün­dung hin­ter sich, sei die geziel­te Gabe von Anti­bio­ti­ka angezeigt.

REGA­T­­TA-Stu­­die
Neben 42 Haus­arzt­pra­xen in Nie­der­sach­sen, Nor­d­rhein-Wes­t­­fa­­len und Thü­rin­gen waren das Insti­tut für Public Health und Pfle­ge­for­schung der Uni­ver­si­tät Bre­men, das Insti­tut für All­ge­mein­me­di­zin der Medi­zi­ni­schen Hoch­schu­le Han­no­ver (MHH), die Uni­ver­si­täts­kli­ni­ken Würz­burg und Jena und die Apo­the­ke der Uni­ver­si­tät Kiel an der REGA­T­­TA-Stu­­die betei­ligt. Über die Uni­ver­si­tät Bre­men wur­de ein Pati­en­tin­nen­bei­rat eta­bliert, der die Stu­die von Anfang an beglei­te­te. Die Lei­tung der kli­ni­schen Stu­die lag bei Prof. Dr. med. Eva Hum­mers von der Uni­ver­si­täts­me­di­zin Göt­tin­gen. Die Unter­su­chung baut auf der 2016 durch­ge­führ­ten ICU­­TI-Stu­­die auf, die den Ein­satz von ent­zün­dungs­hem­men­den Mit­teln bei unkom­pli­zier­ten Harn­wegs­in­fek­ten untersuchte.

Quel­le
• News­let­ter 106: „Auch wenn die Bla­se schmerzt: Es müs­sen nicht immer Anti­bio­ti­ka sein“. Bun­des­mi­nis­te­ri­um für For­schung und Bil­dung (BMBF), Ber­lin, Janu­ar 2022 (Voll­text).
Bild­nach­weis
• Mari­on Kaden (mka­den), Ber­lin, 2014.
wei­te­re Infos
Bären­trau­ben­blät­ter: Bei Ent­zün­dun­gen der Harnwege
• Kom­mis­si­on E BGA/B­­fArM-Mono­­­gra­­phie Uvae ursi folium