Vom Donnerstag bis Sonntag (14.–17. September 17) läuft in Berlin das “Festival of Nows 2017”, welches ein 2. Mal in Berlin stattfindet. Diesmal ist der “Hamburger Hauptbahnhof, Museum der Gegenwart” Veranstaltungsort. Wunderbar gewählt, denn die riesige Eingangshalle des ehemaligen Bahnhofs bietet viel Platz für die jungen Künstler, die den Raum wirklich ausnutzen. 100 Künstler aus unterschiedlichsten Ländern präsentieren sich mit Installationen, Skulpturen, Performances, Malereien, Klanginstallationen — sehr kreativ und anregend. Ein Rundgang.
Die diesjährige Zusammenarbeit findet zwischen der “Nationalgalerie — Staatliche Museen zu Berlin” und Olafur Eliasson und seinem “Institut für Raumexperimente e.V” statt. Da ich ein ausgesprochener Fan von Eliasson bin, haben mich die Arbeiten von ihm und seinen Studenten besonders interessiert. In der “Historischen Halle” hat Eliasson mit Günther Vogt, ein Landschaftsarchitekt, die Installation “Yellow forest” entstehen lassen. Zwei getrennt aufgestellte Birkenhaine, lebendige Bäume, die in großen Kübeln aufgebaut sind und in Wasserbecken stehen, rahmen einen zentralen “Historischen Platz” der riesigen Ausstellungshalle ein, auf dem große Ruhekissen herumliegen, die zum Entspannen einladen.
Jeder Birkenhain ist von einem Ring gelber Monofrequenzleuchten eingefasst. Sie leuchten nur in einer Lichtwellenlänge, geben den Bäumen das benötigte Licht zur Photosynthese und schaffen durch das strahlende Gelb eine herbstlich-einladende Atmosphäre auf dem künstlich geschaffenen “Platz”.
Um die Mittagszeit wird dieser Platz umgebaut für ein gemeinsames Mahl für die Besucher: Es werden viele Hocker aufgestellt. Jeweils 4 Hocker bekommen eine bemalte Tischplatte aufgelegt. Die Tischbeine fehlen. Sie werden durch die Menschen ersetzt, die sich auf die Hocker setzen und dann die Tischplatte auf die eigenen Beine legen. Das Ganze ist ein Akt der Kommunikation zwischen 4 meistens sich völlig fremden Menschen. Während sie die Tischplatte balancieren, sich setzten, müssen sie außerdem aufpassen, dass die Sachen auf dem Tisch nicht verrutschen. Der Tisch ist nämlich gedeckt mit mehreren Fladen, Broten, sowie drei Gläsern mit unterschiedlichen Pasten.
Wurde der Balanceakt erfolgreich überstanden, sind jegliche Kommunikationsbarrieren zwischen den Menschen durchbrochen. Lachend und angeregt durch die gemeinsam bewältigte Aktion, werden sofort an den Tischen oder über die Tische hinweg Gespräche aufgenommen. Außerdem wird hungrig zugegriffen: Zu essen gibt es dünn und kross gebackene Curry- (gelb) wie Heidelbeerfladen (rot) und ein Hefebrot, dass dreifarbig weiss-rot-schwarz (Weissmehl, gefärbt mit roter Beete und schwarzem Sesam) ist.
Dazu eine Curry- und Rote-Beete-Paste, wie Joghurt mit Tintenfischfarbe (grau). Alles ist ausgesprochen schmackhaft. Dieses Projekt hat sich das Catering-Unternehmen ersonnen, welches sonst für die tägliche Essensversorgung des Eliasson-Teams zuständig sind. Sehr gelungen! Es hat viel Spaß gemacht mit Menschen aus anderen Ländern zu sprechen. Sowohl Kommunikations- wie auch Sprachbarrieren wurden überwunden — über das Essen und gemeinsam zu bewältigenden Schwierigkeiten. Geniale Idee!
Ebenfalls aus der Schule Eliassons: “Thingking Hand”. Vier Künsterinnen und Künstler — aus Kunst, Ästhetik und Philosophie kommend — haben eine sehenswerte, unter die Haut gehende Installation/Performance durchgeführt. Etwa drei Meter lang und hoch wurden zwei Satinwände eng aneinander liegend gespannt. Diese wurden zunächst mit Wasser besprüht. Zwischen die enge Bespannung und den nassen Stoffbahnen schlängelte oder besser kämpfte sich eine junge Frau.
Mir kam es wie das Sinnbild einer Geburt vor. Es kann aber auch ein Sinnbild für das Leben selbst — Struggeling for Life — sein? Sehr ästhetisch und eindrucksvoll. Anschließend kommen noch weitere Gänge durch die Stoffbahnen hinzu: Die Stoffbahnen werden mit Honig bekleistert — welches einen weiteren Schwierigkeitsgrad beim Durchgelangen durch die Stoffbahnen darstellt und zusätzlich aufgestreutes Getreide. Die Künstlerinnen und Künster haben sich während der Ausarbeitung ihres Projekts intensiv mit den entstehenden Gefühlen auseinander gesetzt — was sichtbar wird während ihrer Performance.
Einen Blick über das neu entstehende Gebiet hinter dem Museum gestattet ein Hubwagen, der über 15 Meter hoch fährt. Im Überblick zu sehen ist das neu geplante “Stadtquartier Heidestraße”, welches sowohl Wohnhäuser als auch Büros beinhalten soll. Damit schließt sich die ehemalige Brachfläche, auf der viele Jahre Heilpflanzen wuchsen. Die Heidestraße ist Teil eines Milliarden schweren Großprojektes, welches Flächen zwischen Moabit und Berlin-Mitte schließt. Engagierte Menschen bemühen sich darum, bei den Nobelwohnungen und ‑Büros auch noch alternative Stadtteilprojekte mit unterzubringen. Möge es ihnen gelingen — allerdings sieht es nicht so gut aus, schließlich liegt das Wirtschaftsministerium gleich in Wurfnähe. Ob Herr Schäuble Lust auf Alternatives hat? Wohl kaum.
Die Ausstellung ist sehenswert. Kurzentschlossenen kann ich nur empfehlen: Nichts wie hin! Veranstaltungen berlinweit siehe pdf
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