Die große Brennnessel (Urtica diotica L.) macht ihrem Namen alle Ehre: Wegen ihrer scharfen Brennhaare wird sie auch Scharfnessel oder Tausendnessel genannt. Weil sie so viele gesunde Inhaltstoffe hat, muss sie sich vor jenen schützen, die sie zum Fressen gern haben. Für Schmetterlingsraupen ist die Pflanze beispielsweise überlebenswichtig. Dem Menschen dient die Pflanze in besonderer Weise: Zur verbesserten Hautdurchblutung. Durch bewusstes Anfassen der Brennnessel entstehen Quaddeln, die eine sehr nützliche therapeutische Wirkung haben. Diese zugegebenermaßen ungewöhnliche Therapie kann also auch mit einer kleinen Mutprobe verbunden sein.
Die Brennnessel ist mit Brennhaaren, auf dem Foto gut zu erkennen, mit speziellen Drüsenzellen versehen. Die Makroaufnahme zeigt, dass die Brennhaare eine kugelartigen Basis haben, die haarförmig nach oben wachsen. Ihre Zellwände sind durch Einlagerung von Silikat starr und abgeschlossen. Die Drüsenzellen sitzen überall: An den Stängeln auf und unter den Blättern. Die enthalt eine wahre Mixtur an Reizstoffen: Neben dem dem Nesselgiftstoff Acetylcholin sind noch Histamin, Serotonin und Spuren von Ameisen‑, Essig- und Buttersäure enthalten. Bei der kleinsten Berührung brechen die Köpfchen ab, und die Bruchstellen der verkieselten Zellwände verwandeln sich in spritzenförmige Kanülen. Sie bohren sich zu Tausenden in die Haut und entlassen die Wirkstoffmixtur in die verletzten Hautzellen. Es entstehen schmerzende, gerötete Quaddeln auf der Haut, die besonders bei empfindlichen Menschen erst nach Stunden wieder nachlassen.
Bis heute ist nicht klar, welche der vielen Wirkstoffe die Quaddeln bewirken. Da die meisten Menschen schon bewusst oder unbewusst Erfahrungen mit der Brennnesseln gemacht haben, kann der unangenehm juckende, brennende Reiz leicht in Erinnerung geholt werden. Der Reiz kann acht bis zwölf Stunden andauern, wenn ein tiefer Griff zu besonderer Quaddelbildung geführt hat. Der Reiz kann zu einer lokalen Haut-Reiz-Therapie verwendet werden: Zum Beispiel gibt es an den Händen oder Füssen schlecht durchblutete, sehr trockene Hautstellen, die trotz ständigen Einreibens mit einer Fettcreme nicht weggehen wollen. Jene Menschen, die einen Garten haben, können nun im Frühjahr eine besondere Therapie machen: Sie halten die betroffenen Finger bewusst in die Brennnessel, streichen mit dem Finger immer wieder über die Brennhaare. Sofort setzt das juckende und beissende Hautgefühl ein und bleibt, je nach Empfindlichkeit gegenüber den Wirkstoffen viele Stunden erhalten. Das ganze wird jeden Tag einmal wiederholt. Bei kleineren Hautstellen wie den Fingern reguliert sich die Durchblutung häufig schon nach ein paar Tagen.
Auch Menschen mit rheumatischen Gelenkbeschwerden an Füßen oder Knien können nach einiger Selbstüberwindung barfüßig durch Brennnesseln gehen. Die Hautreizungen durch die Pflanze regen die Durchblutung der Haut und reflektorisch auch in tieferen Gewebeschichten an. Das Acetylcholin wirkt über die Haut direkt auf das Nervensystem und regt so glatte Muskulatur zum Beispiel der Blutgefäße an. Diese zugegebenermaßen kühn-mutige Behandlung kann auch bei degenerativ-entzündlichen Erkrankungen wie Arthrose oder chronische Polyarthritis eingesetzt werden. Zum Beispiel durch Schlagen von frischem Brennnesselkraut oder einer Auflage (30 Sekunden, 1x täglich über den schmerzenden Gelenken.
Das gleiche kann bei Schuppenflechte oder Hauterkrankungen mit nesselartigen Ausschlägen gemacht werden. Die naturheilkundliche Idee, die hinter diesen Anwendungen steckt ist: Die chronisch erkrankten (oder schlecht durchbluteten) Hautstellen werden durch die Quaddeln in eine aktute Erkrankungsphase zurückversetzt. Und durch den Wirkstoffmix kommt mit der vermehrten Durchblutung ein Heilungsprozess in Gang.
Brennnessel in der Geschichte
aus Pierer’s Universal-Lexikon, 4. Auflage (Band 11, 1860). Verlagsbuchhandlung H. A. Pierer, Altenburg, 1857–1865.
2) Brennnessel, die Arten Urtica dioica (Große Brennnessel), Urtica urens (Kleine Brennnessel, Eiternessel), ein Unkraut auf Feldern und in Gärten, Urtica cannabina (Hanfnessel), welche groben Hanf liefert, Urtica Whitlow, in Amerika zu Fertigung des Hanftuchs benutzt, welche alle aber bei dem Berühren ein heftiges Brennen bewirkten. Alle diese Arten, besonders aber die Große Brennnessel, geben ein Surrogat für Lein ab, doch sind sie noch nicht allgemein in den Gebrauch gekommen, obgleich schon früher daraus das Nesseltuch und jetzt noch das Nesselgarn bereitet wird. Auch dienen sie als Viehfutter, besonders für die Pferde und junges Federvieh. Auch der Nesselsamen, im Ofen getrocknet, gepulvert und dann täglich eine Handvoll unter das Futter gemengt, ist namentlich dem Pferde sehr zuträglich, früher war er Volksheilmittel gegen kaltes Fieber, Durchfall, Mutterblutfluß; der ausgepreßte Saft der Pflanze dient gegen Magen- oder Lungenverschleimung. Als äußerliches Heilmittel wird die Nessel angewendet, um gelähmten Theilen Empfindung und Bewegung zu geben. Die im Spätherbst roth gewordenen und entblätterten Stängel enthalten einen rothen Färbestoff, der zum Färben der Seide benutzt werden kann. Die Große Nessel gedeiht besonders auf Humus haltendem, feuchtem Boden, kommt auch auf Steinhaufen und an Orten, wo nichts anders wächst, gut fort. Man bereitet den Boden zum Anbau der Nessel möglichst locker und mehr mit der Hacke als mit dem Pflug. Gesäet wird die Nessel gleich in den Samenhülsen möglichst dicht, wie Rübsen, Ende October. Man kann sie auch durch aus Zertheilung der Wurzeln gewonnene Setzlinge und reihenweise, jede Pflanze (Fuß von der andern, verpflanzen. Die Nessel braucht nicht gejätet zu werden, da sie alles Unkraut unterdrückt. Aus Samen gewonnene Nesseln schneidet man das erste Jahr gar nicht, dann aber, da sie perenniren, des Jahres drei Mal. Die Reise des Samens erfolgt im August. Sollen sie zu Nähgarn benutzt werden, so werden sie ganz wie der Hanf behandelt;
3) Taube Nessel, ist Lamium album; von ihm und Lamium purpureum kommen die Resselblüthen;
4) Todte Nessel, ist Galeobdolon luteum.
Autorin
• Marion Kaden, Berlin, 6. Mai 201o.
Bildnachweis
• Marion Kaden (mk), Berlin.
weitere Infos
• Brennnessel: Das Superkraut
• Brennnessel-Tee selbstgemacht
• Brennnessel: Gut fürs Fasten
• Brennnessel-Wurzel: Monographie
• Wehrhaft und majestätisch: Die Brennnessel
• Brennnesselblätter: Monographie
• Rezepte mit Brennnesseln
tja, es ist eben eine Königin unter den Heilpflanzen …
Oh, ich hätte nicht gedacht daß eine Brennessel so viel Nutzen als Heilpflanze hat. Bis jetzt habe ich das ab und zu auch schon ausprobiert. Um mich von schlechten, oder deprimierenden Gedanken abzulenken, als Hausmittel Gegen Juckreiz von z.B. Mückenstichen. Manchmal reibe ich sie über meine Haut, an den Beinen, Armen oder am Rücken. Das tuhe ich abere eher weil ich das entspannend finde. Es ist irgendwie wie eine Art Akkupunktur
😹
Komischerweise brennt es bei mir nur kurz, auch wenn es sich länger noch wärmend anfühlt oder kribbelt.
Also ich hatte bis jetzt nur gute Erfahrungen damit
Ja, Du hast Recht — es kostet Überwindung. Aber wie oft fügen wir uns Schmerzen zu!? Zum Beispiel beim sportlichen Dehnen, beim Marathonlauf und anderen Sportarten, beim Tätowieren oder Piercen, beim meditativen Dauer-Lotussitz und vielen anderen Tätigkeiten für Gesundheit, Lebensfreude oder Aussehen!
Ich bin auch schon öfter mit nackten Waden durch Brennesseln gegangen, um die Durchblutung anzuregen. Es ist bestimmt nicht angenehm! Aber richtige Schmerzen sind was anderes. Also: Probiers es einfach mal aus. Die eigenliche Überraschung kommt ohnehin erst nachher, wenn die Brennessel anfängt zu wirken …!
Es kostet aber echt Überwindung.
Ich würde es gerne ausprobieren, aber selbst Schmerzen zufügen?
Danke
danke Herr Oberländer für den ganz praktischen Hinweis! 🙂
Ich benutze Brennnessel schon seit mehr als 20 Jahren als Heilkraut. Als ehemaliger Taxifahrer, der stundenlang nur sitzt, habe ich im Laufe der ersten Zeit oft Gelenkschmerzen gehabt. Und alles — jede Bewegung — brachte Schmerzen, bis ich mal versehentlich mit Brennnesseln in Berührung kam. Ich wiederholte die Berührung anschließend öfters und nach und nach behandelte ich dann meine Gelenkschmerzen durch Auflegen der Brennessel damit. Am besten eignet sich junge Brennnessel. Sie ist extrem aggressiv und ja — meine Gelenke sind wie neu. Wer anfängt zu kratzen, bei dem dauert es länger, bis die Wirkung erreicht wird. Am besten nach der Behandlung die Stellen zunächst abdecken oder verbinden, damit man nicht in die Versuchung kommt zu kratzen. Und wer sich dabei auf andere Sachen konzentriert, dem fällt es leichter, nicht daran zu denken…