Für Heilkräuter-Interessierte oder — Heilkräuterkundige ist ein Besuch Thüringens Ende Juli/Anfang August fast ein Muss. Das Land inmitten Deutschlands, stellt sich selbst gern als uraltes Kulturland dar: Klar die Wartburg, wo Luther die Bibel übersetzte, die Goethe-Schiller-Stadt Weimar, die Landeshauptstadt Erfurt mit reichhaltigem Theater- und Opernangebot haben schon was. Doch die Natur mit ihren weitläufigen Wäldern und Waldlandschaften, Magerwiesen oder Berghängen mit unterschiedlichstem Gesteinsarten, die dann entsprechende Pflanzen beherrbergen, bietet Naturliebhabern etwas Besonderes. Ein schwärmerischer Bericht.
Seitdem ich Thüringen entdeckt habe vor ein paar Jahren, sorge ich dafür, dass ich wenigstens zweimal pro Jahr dort hin komme. Im letzten Jahr gab es im Juni überall an den Wegen alte, wild wachsende Kirschbäume, die dazu einluden, sich den Bauch mit den süßen, dicken Knubberkirschen vollzuschlagen. In diesem Jahr führt mich eine kleine Reise in die Nähe von Wiedermuth (nördliches Thüringen). Ich habe Glück und bekomme sogar noch ein paar von den sehr raren Sonnentagen in diesem Sommer ab. Der erste Spaziergang, der nur als kurze Runde geplant ist, dehnt sich gleich auf mehrere Stunden aus. Denn ich bin überwältigt von den Heilpflanzen, die auf den Wegen gleich hinter dem Dorf zeigten: Hauhechel (Wirkung) beispielsweise. Nicht nur als einzelnes selten zu bewunderndes Pflänzchen. Nein, gleich eine ganze Wiese mit diesem hübsch anzusehenden Heilkraut.
Gleich daneben das Johanniskraut (Wirkung), ebenfalls massenweise im hohen Gras. Der Weg ist natürlich gesäumt von der zauberhaften Wegwarte (Wirkung). Hier in Thüringen macht sie ihrem Namen alle Ehre und wacht über die meisten großen und kleinen Wege.
Über einen Weg, der über ein paar Rapsfelder führt, wächst am Rande der knallrote Klatschmohn, gleich daneben passend und wunderhübsch die Römische Kamille. Die Felder mit den Ölsaaten hinter mir lassend teilt sich der Weg. Einer führt in einen unberührten naturnahen Wald.
Der andere entlang einer Magerwiese. Eine richtige Magerwiese — denn auf ihr gedeihten alle möglichen Heilpflanzen. Überall auf der Wiese summt und brummt es. Insekten — Schmetterlinge, Wespen, wilde Bienen, Käfer tummeln sich auf den Blüten und suchen Nahrhaftes. Beim vorsichtigen Durchschreiten der Wiese entdecke ich sogar das zarte, zurückhaltende Tausendgüldenkraut (Wirkung).
Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Nach Hause gehen kommt gar nicht in Frage, also führt mich der Weg in einen Wald. Bäume sind umgestürzt, überall hohes Gebüsch, es ist schwierig voran zu kommen. Ein Weg ist das nicht mehr zu nennen. Weil mir das zu anstrengend wird, mich durch den Wald zu schlagen, suche ich wieder zurück an den Waldrand zu kommen. Das gelingt mir nach einer Weile des Bergan steigens. Dann endlich kann ich mich in die Sonne setzten mitten in den Odermennig (Wirkung).
oder Baldrian (Wirkung). Ich freue mich — endlich sehe ich mal was anderes als die überdüngten Wiesen und Waldränder, die nichts anderes mehr wachsen lassen als Löwenzahn. Wie schön, dass es in Deutschland noch Regionen gibt, in denen Heilpflanzen so vielfältig und bunt wachsen dürfen!
Mehr:
Heilkräuterland Thüringen im Frühling: Ein Blütenmeer
Monographie: Odermenningkraut