Heil­pflan­zen im Bota­ni­schen Gar­ten Hamburg

 

Loki-Schmidt-Garten, Botanischer Garten Hamburg
Loki-Schmidt-Gar­ten, Bota­ni­scher Gar­ten Ham­burg, Flottbek

Ein Besuch im Bota­ni­schen Gar­ten Ham­burg, der 2012 zum Loki-Schmidt-Gar­ten umbe­nannt wur­de. Die Gat­tin Han­ne­lo­re (Loki) Schmidt des Hel­mut Schmidt, sozi­al­de­mo­kra­ti­scher Poli­ti­ker, (1918–2015), setz­te sich neben viel­fäl­ti­gem Enga­ge­ment für den Pflan­zen- und Natur­schutz ein. Auch die beson­ders gefähr­de­ten Pflan­zen lagen ihr am Her­zen. Sie grün­de­te 1979 eine “Stif­tung zum Schut­ze gefähr­de­ter Pflan­zen”, die nach ihrem Tode zur “Loki-Schmidt-Stif­tung wur­de. Die Stif­tung kauft oder finan­ziert Flä­chen, in denen Bio­to­pe für gefähr­de­te Pflan­zen auf­ge­baut wer­den kön­nen. Ich habe die Erwar­tung, dass der Loki-Schmidt-Gar­ten im Sin­ne sei­ner Namens­ge­be­rin geführt wird.

Seen- und Fluss-Landschaften
Vie­le künst­li­che Seen- und Fluss-Landschaften

Mein Besuch im Ham­bur­ger Bota­ni­schen Gar­ten ist für mich ein “Heim­spiel”. Ich habe die meis­te Zeit mei­nes Lebens im Ham­bur­ger Wes­ten gelebt und gear­bei­tet. Der Bota­ni­sche Gar­ten war dabei ein von mir oft besuch­ter Ort unter ande­rem auch des­halb, weil ich dort den Arz­nei- und Bau­ern­gar­ten zu allen Jah­res­zei­ten foto­gra­fier­te. Dort stan­den vie­le Heil­pflan­zen für die ich z.B. für Heilpflanzen-Welt.de foto­gra­fier­te oder berichtete.

Seen- und Fluss-Landschaften
Seen- und Fluss-Landschaften

Damals war der Apo­the­ker-Gar­ten genau­so wie heu­te nicht beson­ders groß. Hin­ter gro­ßen Heckem ver­steckt und geschützt, fan­den sich dort jedoch eine gan­ze Rei­he an Heil­pflan­zen — zumin­dest die Wich­tigs­ten. Nun 12 Jah­re spä­ter fin­de ich den Apo­the­ker­gar­ten in einem sehr bedau­er­li­chen Zustand vor. Der Mit­tel­teil, wo frü­her über­all Heil­pflan­zen-Bee­te stan­den, ist Rasen. Nun blei­ben nur noch links und rechts, wie am obe­ren Ende klei­ne Qua­dra­te in denen ein paar Heil­pflan­zen vor sich hin küm­mern. Bei den weni­gen Flä­chen mit Arz­nei­pflan­zen ist teil­wei­se sogar die Beschil­de­rung falsch! Frü­her summ­te und brumm­te es, heu­te lohnt sich für Insek­ten (abge­se­hen davon, dass es auch davon sehr viel weni­ger gibt) gar nicht vor­bei zu fliegen.

Maiglöckchen
Mai­glöck­chen

Die Vege­ta­ti­on, die auf­grund des war­men Aprils 14 Tage vor den übli­chen Peri­oden liegt, zeigt die Pflan­zen im Sta­di­um von Mit­te Mai. Die Mai­glöck­chen sind kurz vor dem Auf­blü­hen. Ansons­ten fin­den sich ver­blüh­te Schlüs­sel­blu­men, ein paar spä­te Lun­gen­kraut-Blü­ten. Auch haben robus­te Heil­pflan­zen wie Zitro­nen­me­lis­se, Lieb­stö­ckel in den Beton­qua­dra­ten über­lebt. Doch sehr viel mehr ist kaum zu entdecken.

Robuste Zitronenmelisse
Robus­te Zitronenmelisse

In Anbe­tracht die­ses unglaub­li­chen Trau­er­spiels im Apo­the­ker­gar­ten, wer­de ich wütend. Loki Schmidt wür­de sich garan­tiert im Gra­be umdre­hen, hät­te sie die Gele­gen­heit, die­se lieb­lo­se Behand­lung die­ses Arz­nei­gar­tens anse­hen zu müs­sen. Loki Schmidt schätz­te Heil­pflan­zen über alles, hat­te aus­ge­zeich­ne­te bota­ni­sche Kennt­nis­se und liess pri­vat wil­de Wie­sen mit Wild­kräu­tern anle­gen. Ich habe mich gefragt, wie es zu so einer Ver­wahr­lo­sung und Miß­ach­tung kom­men kann?  Offen­sicht­lich wer­den ande­re Schwer­punk­te bei der Prä­sen­ta­ti­on gelegt, auf beson­de­res attrak­ti­ve oder spek­ta­ku­lä­re Pflan­zen­ar­ten beispielsweise?

Der Bota­ni­sche Gar­ten in Ham­burg hat einen künst­lich ange­leg­ten See und ver­schie­de­ne künst­li­che Was­ser­läu­fe, an denen vie­le Pflan­zen­ar­ten wach­sen und gedei­hen. Der Bota­ni­sche Gar­ten ist beson­ders im Som­mer schön, weil über­all klei­ne, lau­schi­ge Ecken an den Gewäs­sern mit Bän­ken und Stüh­len zum Aus­ru­hen und ver­wei­len ein­la­den. Das ist wun­der­bar und wird auch von vie­len Men­schen ausgenutzt.

Färber-Mammutblatt
Fär­ber-Mam­mut­blatt (Gun­nera tinctoria)

Nur: Die­ser Bota­ni­sche Gar­ten hat auch einen Lehr­auf­trag. Die Bota­ni­schen Insti­tu­te sind in Flott­bek ange­sie­delt und ste­hen am Ran­de des Bota­ni­schen Gar­tens. Haben Arz­nei- und Heil­pflan­zen in der For­schung kei­ne Bedeu­tung mehr? Auf jeden Fall kön­nen ange­hen­de Bio­lo­gen im Arz­nei­pflan­zen-Gar­ten nichts mehr ler­nen, weil es dort kaum Arz­nei­pflan­zen gibt. Dies kann nicht im Sin­ne von Loki Schmidt sein.

Sicht auf den Bauerngarten
Sicht auf den Bauerngarten

Ich beob­ach­te die­se Ten­denz auch schon seit eini­gen Jah­ren in Ber­lin. Als ich nach Ber­lin gezo­gen war und zum ers­ten Mal den Bota­ni­schen Gar­ten Ber­lins, bezie­hungs­wei­se den gro­ßen Arz­nei­pflan­zen-Gar­ten besuch­te, war ich total begeis­tert. Die Flä­che des Ber­li­ner Apo­the­ker-Gar­tens war vier mal so groß als der Ham­bur­ger, ent­spre­chend mehr Heil­pflan­zen wur­den gezeigt. Ich bin damals von einem zum ande­ren Beet gerobbt mit der Kame­ra, weil es so viel zu ent­de­cken und foto­gra­fie­ren gab.

Auch im Ber­li­ner Botan­ti­schen Gar­ten beob­ach­te ich seit zwei, drei Jah­ren einen ähn­li­chen Trend: Immer mehr Bee­te wer­den auf­ge­ge­ben. Die Heil­pflan­zen sind oft eben­falls in einem schlech­ten Zustand. Im letz­ten Som­mer wur­den sogar Fließ­pla­nen auf die Bee­te gelegt, um Ero­si­on durch Wind zu ver­hin­dern. Es gab vie­le Bee­te, die nicht mehr bepflanzt waren. Auch muss kein Geld mehr da sein, um in tro­cke­nen Som­mern wie dem letz­ten, die Pflan­zen mit Was­ser zu ver­sor­gen. Ich bin ehr­lich besorgt und trau­rig über die­se Ent­wick­lung! Wie sol­len Men­schen denn Heil­pflan­zen ken­nen­ler­nen, sehen, füh­len, rie­chen und etwas über sie erfah­ren? Pflan­zen­heil­kund­li­che Fir­men könn­ten die­ser Ent­wick­lung durch Spon­se­ring ent­ge­gen­wir­ken und sich ver­dient machen! Ansons­ten wer­den wohl Füh­run­gen durch Heil­pflan­zen­kun­di­ge immer wich­ti­ger, um zumin­dest die hei­mi­schen Heil- und Wild­kräu­ter ken­nen zu ler­nen. Armes Deutsch­land! Deutsch­land war näm­lich im 19. Jahr­hun­dert das Mut­ter­land der Pflan­zen­heil­kun­de. Viel­leicht soll­te Mar­kus Söder nicht so viel Geld für Kreu­ze aus­ge­ben, die nie­mand in Schu­len, Behör­den haben will. Das Geld könn­te über­all gebraucht wer­den: In Schu­len bei­spiels­wei­se. Oder in Arz­nei­gär­ten: So könn­ten die Deut­schen ihre Heil­pflan­zen wenigs­tens dort sehen. Denn vie­le Heil­pflan­zen sind so sel­ten gewor­den, dass sie gar nicht mehr gepfückt wer­den dür­fen und ste­hen auf der Roten Lis­te. Auch Geld für die Land­wirt­schaft könn­te bereit gestellt wer­den, um mehr bio­lo­gi­sche Land­wirt­schaft zu betrei­ben. Und: Bit­te weni­ger Gly­pho­sat für mehr Über­le­bens­mög­lich­kei­ten für Heil­pflan­zen und Insek­ten bit­te sehr!

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