Fest der Pflan­zen­far­ben: Muse­um Düp­pel, Berlin

 Besuch im Museumsdorf Düppel, Berlin
Besuch im Muse­ums­dorf Düp­pel, Berlin

Unter dem span­nen­den Mot­to “Fest der Far­ben” hat­te das Muse­ums­dorf Düp­pel bei Ber­lin ein­ge­la­den. Was mich beson­ders ansprach: Das Fest der Far­ben wur­de aus­schließ­lich mit Pflan­zen­far­ben gefei­ert. Das Muse­ums­dorf liegt im Süd-Wes­ten bei Zehlen­dorf. Es besteht aus Häu­sern, die auf­grund von Aus­gra­bun­gen rekon­stru­iert wur­den, und die etwa die Zeit des spä­ten 12. Jahr­hun­derts wider­spie­geln sol­len. Ehren­amt­lich arbei­ten­de Ver­eins­mit­glie­der erhal­ten und bele­ben und das Muse­ums­dorf mit vie­ler­lei Ver­an­stal­tun­gen vom März bis Mit­te Okto­ber hin­durch und geben damit einen klei­nen Ein­blick in das har­te und ent­beh­rungs­rei­che Leben des Hochmittelalters.

Ein Bauernhaus aus dem 12. Jahrhundert
Ein Bau­ern­haus aus dem 12. Jahrhundert

Inner­halb des “För­der­krei­ses des Muse­ums­dor­fes Düp­pel e.V” ent­wi­ckel­ten sich seit den 80iger Jah­ren ver­schie­de­ne Arbeits­grup­pen, die sich ent­spre­chend ihrer Inter­es­sens­ge­bie­te und Vor­lie­ben aktiv betei­li­gen, oder bestimm­te Pro­jek­te vor­an­trei­ben. Beson­ders im Fokus stan­den am ver­gan­ge­nen Wochen­en­de die Fär­be- und Tex­til­grup­pe: Ilka Küh­ne hat vor einem Reet­dach­haus ein klei­nes Feu­er ent­facht. Zwei Töp­fe ste­hen mit bro­deln­dem, far­bi­gen Was­ser vor ihr. Wäh­rend der sehr tro­cke­nen Som­mer­mo­na­te durf­te sie wegen der Brand­ge­fahr kein Feu­er ent­zün­den, erzählt sie. In die­ser Zeit konn­te sie nur Fär­be­vor­gän­ge mit Kalt­aus­zü­gen zei­gen, wie bei­spiels­wei­se mit den grü­nen Scha­len der Wal­nüs­se. Die Fär­be­rin ist andau­ernd beschäf­tigt. Zum einen muss sie das Feu­er in Gang hal­ten, wel­ches sie auf­merk­sam beob­ach­tet, und wenn nötig mit klei­ne­ren Holz­stück­chen nährt. Schwä­cheln die Flam­men zu stark, nutzt sie ein län­ge­res Pus­te­rohr, um die Flam­men neu zu befeu­ern. Zum ande­ren taucht sie vor­be­rei­te­te Wol­le in die bei­den Töp­fe, bewegt die­se ste­tig mit einem Holz­stab, damit sie von allen Sei­ten genü­gend Far­be erhält. Sonst wür­den die Woll­strän­ge unre­gel­mä­ßi­ge Fär­bun­gen erhalten.

Feuer entfachen
Feu­er entfachen

Küh­ne hat zwei Fär­bun­gen vor­be­rei­tet: In einem Topf bro­delt tief rote Far­be in der ande­ren eine gelb­lich-grü­ne. “Die rote Far­be stammt von der Krapp-Wur­zel, die gel­be von Bir­ken­blät­tern”, erklärt sie. Die Krapp­wur­zeln müs­sen min­des­tens drei Jah­re alt sein, um sich für Fär­bun­gen zu eig­nen, so erzählt die Fär­be­rin wei­ter. Die Bir­ken­blät­ter sam­melt und trock­net sie im Früh­jahr. Küh­ne gehört zur Fär­ber­grup­pe des Muse­ums­dor­fes, wel­che ihr Wis­sen über Pflan­zen­fär­bun­gen in Zusam­men­ar­beit mit ande­ren Muse­ums­grup­pen erhielt. Die Umset­zung des Wis­sens in die Pra­xis ist aller­dings etwas voll­kom­men Ande­res. Der Fär­be­rin machen Aus­pro­bie­ren und Expe­ri­en­tie­ren beson­de­ren Spaß: “Jede Wol­le färbt anders, weil zum Bei­spiel der Fett­ge­halt jeder Wol­le anders ist”, erklärt Küh­ne. Auch jeder Fär­be­gang sorgt für Farb­va­ri­an­ten. Die­se kön­nen die Zuschau­er auch gleich selbst beob­ach­ten: So sor­gen die ers­ten Farb­gän­ge der Wol­le im Krapp­sud für eine satt dun­kel­ro­te Fär­bung der Wol­le, die nach­fol­gen­den Woll­strän­ge sind weni­ger farb­in­ten­siv. Bei der letz­ten Fär­bung kommt ein zar­tes, apar­tes Rosa her­aus. Aus dem Bir­ken­sud holt die Fär­be­rin gelb-grü­ne Wol­le, die anschlie­ßend auf Holz­ge­stel­len abtrop­fen und trock­nen kann.

Weben im Tageslicht
Weben bei Tageslicht

Die jün­ge­ren Ver­eins­mit­glie­der tra­gen selbst genäh­te gro­be, unge­färb­te Lei­nen­klei­dung und Leder­schu­he. Mit moder­nen Abwand­lun­gen selbst­ver­ständ­lich. Die dama­li­gen Bau­ern hat­ten bei­spiels­wei­se kei­ne anschmieg­sa­me, wei­che Unter­wä­sche. Die Her­stel­lung von Klei­dungs­stü­cken war extrem zeit­auf­wän­dig. Die Scha­fe muss­ten gescho­ren, die Wol­le gerei­nigt, ver­spon­nen und gewebt wer­den. Die Web­rah­men waren ein­fach und ermög­lich­ten nur die Her­stel­lung von recht­ecki­gen Stof­fen, die dann zusam­men genäht und mit Kor­deln zusam­men gehal­ten wur­den. In den Häu­sern gab es kei­ne Fens­ter, also auch kein Licht. Das Feu­er, wel­ches in der Mit­te des Rau­mes im Herbst und Win­ter zum Kochen ent­facht wur­de, wärm­te nicht den gan­zen Raum und spen­de­te auch nicht genü­gend Licht, um dabei weben zu kön­nen. Es wird ver­mu­tet, dass die Web­rah­men drau­ßen stan­den und bei Licht gewebt wur­de. Erst in den nach­fol­gen­den Jahr­hun­der­ten ent­stan­den Tritt­web­stüh­le an denen Weber arbei­te­ten, die Auf­trä­ge von Wohl­ha­ben­de­ren ent­ge­gen nahmen.

Gewebte Wolle und Bänder in Naturfarben
Geweb­te Wol­le und Bän­der in Naturfarben

Gefärb­te Gewän­der waren wahr­schein­lich den Wohl­ha­ben­den vor­be­hal­ten. Das Fär­ben benö­tig­te extra Zeit und Mühe, die nor­ma­le Bau­ern kaum auf­wen­den konn­ten. Sie hat­ten mit der Aus­saat und Ein­brin­gung der Ern­te, Kon­ser­ser­vie­rung der Nah­rung, Hal­ten ihrer Tie­re oder Ver­sor­gung des Gar­tens den gan­zen Tag zu tun. Nur Wohl­ha­ben­de konn­ten sich far­bi­ge­re Klei­dung leis­ten oder her­stel­len las­sen. Und: “Blau war eine Far­be der Rei­chen”, erklärt Küh­ne. Zur Her­stel­lung des edlen Farb­stof­fes wur­de Fär­ber­waid ver­wen­det. Das tie­fe Dun­kel­blau konn­te aller­dings nur erreicht wer­den, wenn Fär­ber­waid mit Urin ange­setzt wur­de. Min­des­tens eine Woche lang waren Fär­ber mit den Blau-Fär­bun­gen beschäf­tigt. Zuletzt wur­de die gefärb­te Wol­le, die einen grü­nen Farb­ton auf­wies, in die Son­ne gehängt. Durch Oxi­da­ti­on ent­wi­ckel­te sich dann das gewünsch­te Blau. “Der Begriff ‘Blau machen’ hängt mit der frei­en Zeit der Fär­ber zusam­men, die beim Oxi­da­ti­ons­pro­zess nichts mehr zu tun hat­ten”, erzählt die Färberin.

Gefärbte Wolle
Gefärb­te Wolle

Die Fär­ber­grup­pe hat mit ver­schie­de­nen Pflan­zen expe­ri­men­tiert: Faul­baum­rin­de, Wal­nuss (Blät­ter und Scha­len), Löwen­zahn, Schach­tel­halm, Bir­ken­blät­ter, Rain­farn, Frau­en­man­tel, Wau und Ker­bel bei­spiels­wei­se ermög­li­chen Farb­tö­ne zwi­schen kräf­ti­gem Braun, Grün, hel­len und kräf­ti­gem Gelb.

Brettchenweberei
Brett­chen­we­be­rei

Die Tex­til­grup­pe zeigt eben­falls ihr Kön­nen. Die Frau­en hat­ten geweb­te Stof­fe oder gemus­ter­te Bän­der vor­be­rei­tet. Letz­te­re wur­den mit Hil­fe ver­schie­de­ner Brett­chen gewebt. Das obi­ge Mus­ter bei­spiels­wei­se ent­steht “nur” mit 18 Brett­chen , wel­ches Kon­zen­tra­ti­on erfor­dert. Deut­lich wur­de bei der Dis­kus­si­on mit den Frau­en, dass die­se anspruchs­vol­le Tätig­keit wahr­schein­lich eher in Klös­tern durch­ge­führt wur­de, wo mehr Licht vor­han­den war. Bau­ern konn­ten sich weder Kien­spä­ne noch Ker­zen leis­ten, geschwei­ge denn Zeit bei Tages­licht mit Weben ver­brin­gen. Die Frau­en waren schon lan­ge in der Tex­til­grup­pe und hat­ten sich  auch theo­re­tisch mit der Her­stel­lung der Klei­dung, ihren Mus­tern oder Schnit­ten beschäf­tigt, um die­se anschlie­ßend mög­lichst genau her­zu­stel­len. “Bau­ers­frau­en hat­ten nur recht ein­fa­che Web­rah­men zur Ver­fü­gung, die nur die Her­stel­lung von recht­ecki­gen Stoff­stü­cken ermög­lich­te”, erklärt Bri­git­te Freu­den­berg. “Die her­ge­stell­ten Stof­fe waren krat­zig, rau und wur­den erst durch das vie­le Waschen wei­cher. Es gibt sehr wenig gesi­cher­te Bil­der aus der Zeit. Im Sach­sen­spiel sind manch­mal Abbil­dun­gen zu sehen, die eine Ahnung ver­mit­teln”, so Freudenberg.

Eine Mütze nähen - Nadelbindung
Eine Müt­ze nähen — Nadelbindung

Auch über die Tech­ni­ken ist wenig bekannt. Eva-Maria Hein­ze beschäf­tigt sich mit der Her­stel­lung von Müt­zen mit Hil­fe einer Nadel. “Nadel­bin­dung ist der Vor­gän­ger des Stri­ckens”, sagt sie. Wäh­rend beim Stri­cken die Fäden auch wie­der auf­ge­rib­belt wer­den kön­nen, ist dies beim Nähen kaum mög­lich. “Da muss dann Stich für Stich wie­der rück­wärts das Genäh­te auf­ge­löst wer­den”. Eva Pfarr, die wäh­rend der Ver­an­stal­tung, Eini­ges zum Tritt­web­stuhl berich­tet und prak­tisch zeigt, holt noch Stof­fe her­vor, mit denen die Frau­en expe­ri­men­tiert hat­ten. So hat­ten sie bei­spiels­wei­se mit Kar­den die geweb­ten Stof­fe ange­raut — wobei nun sehr viel wei­che­re, und anschmieg­sa­me­re Stof­fe ent­stan­den. Bemer­kens­wert ist das Enga­ge­ment und die Mühe mit denen die Frau­en Stof­fe und Bän­der weben, Müt­zen nähen, sich Mus­ter ersin­nen und ihre Fähig­kei­ten immer wei­ter ver­voll­kom­men. Manch­mal inter­es­sie­ren sich Muse­en für die­se Tätig­kei­ten und erbit­ten für Aus­stel­lun­gen Web­ar­bei­ten — oder man­che Stü­cke sind auch im Muse­ums­shop käuf­lich zu erwerben.

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1 Gedanke zu „Fest der Pflan­zen­far­ben: Muse­um Düp­pel, Berlin“

  1. Ich fin­de den Bei­trag wirk­lich gut, da er mir total vie­le Facet­ten zeigt. Ich bekom­me wirk­lich Lust wie­der mehr mit Far­ben zu machen. Dan­ke dafür!

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