Das Wohnen im Berliner Waldviertel stellt ganz besondere Herausforderungen an die Gärtner: Es ist der magere Sandboden, der in der Berliner Region vorherrscht zum einen, zum anderen der Bewuchs mit den hohen Kiefern. Diese machen mit ihren Nadeln den Boden sauer und sorgen für viel Schatten. Dieser Sommer, der von den Berliner Kollegen als “Wüsten-Sommer” tituliert wurde, macht dem Natur-Garten mit der monatelangen anhaltenden Trockenheit der Vegetation zudem besonders zu schaffen.
Zahlreiche Nachbarn versuchen in den ersten Jahren aus der mageren Erde ein blühendes Paradies herauszuholen. So auch ich. Viel Muttererde wird aufgeschüttet, um z.B. so etwas wie Rasen wachsen zu lassen. Der muss bei dem mageren Untergrund jedoch viel gewässert und gedüngt werden. Der Schatten ist ebenfalls nicht hilfreich, ordentliches Grün oder Blumenrabatten entstehen zu lassen. Nach einem Jahr ist die Muttererde verbraucht oder in den Sandboden gedrungen, so dass immer weiter neue Muttererde nachgeschüttet werden muss. Das geht ins Geld, und die Mühe wird nicht wirklich belohnt.
Anstatt nun also gegen die Natur und die Gegebenheiten zu kämpfen, habe ich vor Jahren angefangen, nach Heilpflanzen Ausschau zu halten, die mit derartig schwierigen Verhältnissen zurecht kommen. Die ersten Jahre habe ich die sogenannten Bienen- und Insekten-Mischungen gekauft. Diese bestehen jedoch vorwiegend aus Blühpflanzen-Samen von Calendula-, Sonnenblumen‑, Borretsch-, Kalifornischer Mohn oder Kornblumen. Nur: Allen gemeinsam ist, dass sie viel Sonne benötigen — und die gibt es in meinem Garten nicht. Deshalb hatte ich angefangen bei Spaziergängen Samen z.B. von Gräsern, Nachtkerzen zu sammeln und im Garten auszustreuen. In jedem Frühjahr war dann spannend zu beobachten, welche Heilpflanzen sich tatsächlich angesiedelten. Die Gräser sind zu einer kleinen “Wiese” geworden und kümmern sich seit zwei Jahren um sich selbst, das heisst sie sorgen für ihre Weiterverbreitung. In der Wiese fühlen sich Spitzwegerich wohl und ebenso der Steinklee. Auch spannend: Im letzten Jahr blüte der Steinklee gelb gelb, in diesem Jahr weiss.
Auch die Nachtkerzen säen sich mittlerweile entlang des Weges und von alleine aus. Von einer Freundin bekam ich eine Weinraute geschenkt. Die Pflanze mickerte ziemlich lange vor sich hin, bis ich herausbekam, dass sie kalthaltigen Boden mag. Seither bekommt die Weinraute zweimal jährlich Kalk, genauso wie die Buchsbäume — und seither geht es ihr gut.
Rainfarn, Odermennig, Heidelbeersträucher habe ich gekauft und gepflanzt. Der Rainfarn hatte keine Probleme, doch der Odermennig war nicht zufrieden. Er hatte zu wenig Licht. Außerdem fanden die Schnecken ihn im Frühling unglaublich lecker und haben der Pflanze den Rest gegeben. Die Heidelbeersträucher kommen gut und setzen sogar Früchte an. Doch sobald die Heidelbeeren ein wenig reif werden, finden sie die Vögel ausgesprochen interessant. So bin ich noch nie in den Genuss einer einzigen Heidelbeere gekommen.
Die Wegwarten habe ich gesät. Sie haben sich gut entwickelt und werden im nächsten Jahr ihre schönen Blüten zeigen, hoffe ich. Was wäre ein Garten ohne Brennnesseln? Die wachsen auch, nur bevorzugen sie offensichtlich nährstoffreicheren Boden, bei mir wachsen sie leider nicht so zahlreich. Dafür wächst Efeu überall. Ich nutze die Pflanze auch als Bodendecker. Efeu ist wirklich außerordentlich genügsam bezüglich des Lichts und der Feuchtigkeit. Und im Winter freuen sich die Vögel über die dunklen Früchte, die eine willkommene Mahlzeit bieten.
Die Eberesche macht mir Sorgen. Die Waldameisen und Ohrenkneifer haben den kleinen Baum für sich entdeckt. Die Waldameisen nutzen die Eberesche um dort Blattläuse für ihre Brut anzusiedeln. Die Ohrenkneifer legen ihre Eier in die ganz jungen knospenden Blätter, so dass diese sich zusammenrollen, und so die Brut schützen. Allerdings wachsen die jungen Triebe nicht mehr richtig, weil sie in der Anfangsphase verkrüppelt wurden. Seitdem ich von diesen Untermietern weiss, versuche ich sie mit dem Wasserschlauch “herauszuwaschen”. So ist es mir gelungen, wenigstens einige junge Triebe zu retten.
Der wunderschöne Hibiskus stand schon im Garten, als ich ihn übernahm. Er öffnet jedes Jahr im Juli ein Meer an Blüten, was die Bienen und Insekten freut. Die Blüten halten nur einen Tag. Doch da sie zahlreich sind, habe ich fast einem Monat lang Freude an ihm.
Mein Lieblingsplatz ist eine Hängematte, in der ich oft liege und die Seele baumeln lasse. Es ist wunderschön in die Kiefern zu schauen, die bei jedem Licht anders aussehen.
Beim ruhigen Liegen in der Hängematte, läßt lässt sich Vieles beobachten: Eichhörnchen kommen vorbei und gekkern aufgeregt, weil sie die Hängematte und das darin liegende Objekt nicht einordnen können. In der Waldsiedlung gibt es vorwiegend Buntspechte, die ihrer emsigen Arbeit in klopfender Weise nachgehen. Ebenso Kleiber, die in ähnlicher Weise wie die Spechte die Stämme hinaufklettern, um nach Nahrung zu suchen. In den alten Bäumen sind zahlreiche Nisthöhlen für Spechte, Amseln und Stare, was das Frühjahr besonders interessant macht. Außerdem ist der Garten von zahlreichen Kohlmeisen oder Blaumeisen bevölkert. Und sogar die scheuen Schwanzmeisen durfte ich schon beobachten. Rotkehlchen und Mönchsgrasmücken sind seltener anzutreffen, und wenn Grünspechte mit ihrem Jungen vorbeischauen ist der Besuch etwas Besonderes.
Mit den Nachbarn gibt es ob des “Naturgartens” keine Probleme. Meine “Wiese” wird verspottet, und die Heilpflanzen werden von den meisten verächtlich als “Unkraut” bezeichnet. Wenn ich dann die Heilpflanzen vorstelle und ihre Heilwirkungen erkläre, werden große Augen gemacht. Auf diese Weise besteht eine friedliche Übereinkunft, dass ich die Heilpflanzen wachsen lassen kann, ohne dass sich über die Samen beschwert wird. Damit kann ich gut leben.
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